Interview zum Thema
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Interview mit Ataxiekatzenhalterin Julia K.

Als Julia K. die Tiegerchen Naomi und Finn im Februar diesen Jahres zu sich nach Hause holte, da waren die beiden bereits neun Monate alt. Julia und ihr Mann, beide Katzenanfänger, hatten sich ganz spontan entschlossen, die offensichtlich „behinderten“ Katzen von ihrer Pflegestelle zu adoptieren.

Feline: Wie kommt man dazu, gerade als Katzenanfänger ausgerechnet behinderte Katzen aufzunehmen?

Julia: Wir hatten einige Monate bei verschiedenen Tierschutzorganisationen nach Katzen gesucht. Als wir dann aus Zufall auf die Fotos der beiden stießen und in ihre Augen schauten, ließen uns ihre Blicke nicht mehr los. Und schon als wir die Kleinen das erste mal auf ihrer Pflegestelle besuchten, war es um uns geschehen. Naomi wirkte zwar sehr gestresst und schwach, schleckte uns aber sofort die Hand zur Begrüßung ab. Und Finn, der alte Wirbelwind, nahm erst gar keine Notiz von uns, sondern spielte ausgelassen mit seinen Bällchen und den Hunden der Pflegefamilie. Er kam aber schnell Schmusen und forderte uns zum Spielen auf. Wahrscheinlich ist es der Blick der Ataxisten, der uns nicht mehr losließ –sie haben eine ganz eigene Art, einen anzuschauen-, sodaß wir bereits am Abend den Übernahmevertrag unterschrieben.

Feline: Du redest so selbstverständlich von Ataxisten, war denn von Anfang an klar, was mit den Katzen los ist?

Julia: Als wir die Pflegestelle zum ersten mal besuchten, hatten wir natürlich sehr viele Fragen zu der Gehbehinderung, die die Katzen haben sollten. Die Pflegemutter gab sich zwar deutlich Mühe, konnte aber kaum fundierte Antworten geben. Sie sprach von einer Infektion der Mutter, Geschwüren in Naomis Rückenmark und an Finns Sehnerven und erwähnte, dass Naomi wohl kein normales Katzenalter erreichen würde. Diese Informationen hatte sie vom Tierarzt. Naomi und Finn wurden von der Pflegestelle ab ihrer 2. Woche von Hand aufgezogen, da die Mutterkatze ja während ihrer Tragezeit schwer an feliner Parovirose erkrankt war. Die anderen beiden Geschwister verstarben kurz nach ihrer Geburt. Obwohl dies nach meinem heutigen Wissen schon ein Hinweis auf Ataxie ist, war es damals überhaupt nicht klar.

Feline: Und wie habt Ihr das herausgefunden?

Julia: Wir haben zwar jetzt endlich einen Tierarzt, der die Ataxie eindeutig diagnostiziert hat, aber bis dahin waren wir mehr oder weniger auf uns selbst angewiesen. Wir haben uns unsere Informationen vor allem aus dem Internet und durch den Austausch mit anderen „Betroffenen“ über entsprechende Katzenforen zusammengetragen. Das kann ich übrigens nur jedem empfehlen, denn viele Tierärzte kennen sich mit dem Thema nur schlecht aus und das kann für die Wackelkatzen lebensgefährlich sein.

Feline: Wie war denn der Zustand der Beiden, als Ihr sie aufgenommen habt?

Julia: Bei Finn ist die Ataxie nicht sonderlich stark ausgeprägt. Außer dem Staaksen mit den Vorderpfoten, der etwas schwächeren Sprungkraft und dem Kopfwackeln beim Fixieren von Gegenständen, war soweit alles in Ordnung. Naomi dagegen konnte keine zwei Schritte machen, ohne umzufallen. Sie wollte nicht spielen, war extrem dünn, musste von Hand gefüttert werden und war sehr schläfrig und lethargisch.

Feline: Und Heute?

Julia: Finns Zustand hat sich weiter verbessert, aber bei ihm sind die Symptome ohnehin nicht so stark ausgeprägt. Und Naomis Gang hat sich inzwischen enorm verbessert. Sie kann jetzt richtig schnell laufen, ohne ständig umzufallen, fängt langsam an zu springen und hat einen riesigen Jagdtrieb entwickelt, wenn wir spielen. Inzwischen kommt der wilde Finn beim Spielen kaum noch zum Zug, da Naomi wie eine Verrückte hinter dem Spielzeug herhechtet. Sie springt dabei von einem Bettende zum anderen und sieht in dem Moment nichts anderes als ihr "Opfer". Es ist kaum zu glauben, das hätte ich nie gedacht, als wir sie zu uns holten. Sie rennt mir hinterher, wenn ich mit dem Spielzeug durch die Wohnung laufe und springt dabei auf mich zu. Das sieht immer aus wie ein galoppierendes Pferd, da sie ja doch noch Gleichgewichtsprobleme hat. Eigentlich höre ich von den meisten Ataxie-Dosis, dass sich die Symptome auch bei ihnen im Laufe der Zeit verbessert haben. Es kommt nur sehr selten vor, dass es sich verschlimmert, was dann meistens an einer anderen Krankheitsursache, wie Wirbelsäulen-Deformationen oder entzündlich-degenerativen Prozessen liegt. Bei unserer Form der Ataxie geht es bei den meisten Dosis stets bergauf. Und die meisten Wackler erreichen ein ganz normales Katzenalter.

Feline: Du hattest erwähnt, dass uninformierte Tierärzte gewissermaßen ein Risiko für Ataxisten sein können. Was hast Du damit gemeint, bzw. worauf ist zu achten?

Julia: Bei Operationen ist prinzipiell zu beachten, dass man auf einer Inhalationsnarkose besteht. Diese kann individueller dosiert werden als eine Injektionsnarkose und im Notfall sofort abgebrochen werden. Die Aufwachzeit ist auch deutlich geringer als bei der Injektionsnarkose, wodurch der Kreislauf weniger belastet wird. Allgemein stellt aber eine Narkose in jedem Falle ein besonderes Risiko bei Ataxisten dar, da man die Auswirkungen auf das ZNS nur schwer beurteilen kann. Es gibt Fälle, in denen die Ataxie nach dem Eingriff (bleibend) stark zugenommen hat, bzw. sogar epileptische Anfälle zur Folge hatte. Allerdings kommt so etwas wohl nur sehr selten vor. In Bezug auf die Immunschwäche, die man ganz einfach beim TA durch ein kleines oder großes Blutbild bestätigen lassen kann, muss beachtet werden, dass die Katzen in der Regel nicht geimpft werden können. Die Gründe sind erstens, dass, sofern Lebendimpfstoffe verwendet werden, die Katzen an der jeweiligen Krankheit erkranken können und zweitens, dass der Aufbau des Impfschutzes durch die Verminderung der Leukozyten nicht gewährleistet werden kann.

Feline: Und worauf sollte man im alltäglichen Umgang mit den Wacklern achten?

Julia: Wie stark man die Haltungsbedingungen an die Wackler anpassen muß, hängt natürlich in großem Maße von der Ausprägung der Symptome ab. Es gibt Katzen, die nicht allein aufs Klo gehen können, von Hand gefüttert werden und Windeln tragen müssen Das wichtigste ist sicherlich, dass Ataxisten keinen ungesicherten Freilauf haben dürfen, da bei der felinen Ataxie eine gewisse Immunschwäche besteht. Zudem sind sie gesunden Katzen gegenüber körperlich deutlich benachteiligt und können sich z.B. bei Revierkämpfen nur schwer durchsetzen. Und Ataxisten sind unglaublich zutraulich und damit für Katzenfänger, Hunde etc. eine leichte Beute. Das Kaklo sollte eine Haube haben oder direkt in einer Wandecke stehen, damit sich die Katzen v.a. beim Scharren abstützen können. Bei einigen Katzen mit schwerwiegenderer Ataxie muss man nach dem Toilettengang den Po und die Ballen feucht abwischen, da sie oft in den Kot fallen oder ihn an den Pfötchen kleben haben. Vielen Ataxisten fällt es schwer, den Kopf bis zum Napf am Boden zu neigen ohne umzufallen. Da empfiehlt sich ein erhöhter Napf. Wir haben den Napf auf eine umgedrehte Müsli-Schale gestellt, so war er auch hoch genug für Naomi, als sie allein essen konnte. (Jetzt schafft sie es schon, vom bodenständigen Napf zu essen) Ansonsten muss man bei der Haltung von Ataxisten bedenken, dass sie zwar oft irgendwo hoch klettern können, aber nicht mehr herunterkommen bzw. durch Gleichgewichtsverlust herunterfallen. Daher sollte z.B. ein Kratzbaum nicht allzu hoch sein und Treppen müssen abgesichert werden. Der Boden vor Betten, Sofas, etc. auf denen sich die Katzen vielleicht gern aufhalten, sollte mit Teppichen ausgelegt sein, damit sie sich beim Heruntersteigen -wobei sie oft auf die Seite fallen- nicht verletzen. Beim Zusammenleben mit gesunden Katzen gibt es eigentlich nichts besonderes zu beachten. Ich habe schon von vielen Ataxie-Dosis gehört, dass ihre Wackler kein Problem mit normalgesunden Katzen haben. Es kommt wie überall sonst auch auf den Charakter der Tiere an. Finn z.B. hat sich wohl mit der Hauskatze der Pflegestelle gar nicht verstanden, Naomi hingegen schon.

Feline: So ein Wackel-Dosi muß sich ja schon eine Menge Gedanken machen. Würdet Ihr das alles noch einmal auf Euch nehmen?

Julia: Viele Dosis von Wacklern sagen, dass diese richtig süchtig machen und dass sie sich immer wieder für Ataxisten entscheiden würden. Das kann ich absolut bestätigen.

Feline: Vielen Dank für das Gespräch