Geschichte: Tod im Hinterhof
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Geschichte: Tod im Hinterhof

Ein Tag im September. Es ist heiß wie im Hochsommer. Träge werkeln die Bauarbeiter auf dem Gerüst am Neubau. Da, plötzlich, ertönt ein Schrei: Zoran, der kroatische Maurer, liegt regungslos am Fuß des Gerüstes. Die Sirenen des Rettungsdienstes schrillen durch die enge Straße. Umsonst. Der Notarzt kann nur noch den Tod feststellen. Hauptkommissar Klug von der örtlichen Kriminalpolizei befragt die Kollegen des Toten. „Zoran war ein ganz Ruhiger. Er hatte nie Streit. Aber er hat schon lange einen Herzfehler. Und bei der Schwüle ...“ Die Obduktion bestätigt: Es gibt keine äußeren Verletzungen. Zoran hatte einen Herzinfarkt und hat sich beim Sturz das Genick gebrochen.

Zwei Jahre später

Es ist dunkel. Grautiger Olli sitzt am offenen Küchenfenster und blickt starr in die Hofeinfahrt. Wenn nur dieses verflixte Fliegengitter nicht wäre! Wenn Frauchen nicht so viele Bedenken wegen der Autos auf der Straße hätte! Zu gerne würde er sein Revier draußen kontrollieren. Es raschelt. Wer ist denn da? Die Nachbarkätzin Chica? Auf die ist er sowieso eifersüchtig, weil sie so mit seinem Frauchen flirtet. Seit Chica gemerkt hat, dass er nicht heraus kann, würdigt sie ihn keines Blickes mehr. Aber zum Betteln kommt sie regelmäßig. Nein, da schleicht etwas Schwarzes. Das ist Tweety, der Nachbar von der anderen Straßenseite. Fauchend erhebt sich Olli zu voller Größe auf die Hinterpfoten. Der hat ihm gerade noch gefehlt. Klaut sich im Hinterhof immer Trockenfutter, das Frau Groß für Chica vom Balkon wirft. Ganz schön frech ist der, dabei ist er als Letzter hierher gezogen. Tweety maunzt und zieht sich langsam in Richtung Gehweg zurück. Olli rennt durch die Wohnung zum vorderen Fenster und schaut hinterher. Der Schwarze ist verschwunden – wohl zu einem Besuch bei Katze Candy.

Nein, schon wieder ein Geräusch hinten aus dem Gebüsch. Olli wundert sich. Um diese Zeit gibt es doch gar nichts zu fressen. Tweety ist umgekehrt und scharrt im vollen Mondlicht. Immer hektischer wühlt er den Boden auf. Olli ruft, so laut er kann, nach seinem Frauchen. Endlich wird sie aufmerksam, sieht Tweety noch flüchten. Auch Ollis Kumpel Tommi kommt jetzt ans Fenster, schnuppert am Gitter. Was ist das dort auf dem Boden? Eine Blutspur! Frauchen greift zum Telefon: „Frau Vogel, Ihr Kater scheint sich verletzt zu haben!“ Die Nachbarin findet Tweety mit einer Schnittwunde vor ihrer Balkontür. Frauchen geht in den Hof. Olli beobachtet sie aufgeregt von der Fensterbank aus. Was blinkt dort aus der Erde? Ein geöffnetes Klappmesser mit Blutspuren drauf!!!

Wie kommt ein Messer an diese Stelle? Hier wühlen doch schon lange die Katzen. Aber Tweety scheint etwas gesucht zu haben. Frauchen erinnert sich an den Todesfall. Nach kurzem Zögern ruft sie bei der Polizei an. „Na ja, wird wohl jemand verloren haben, aber fassen Sie es nicht an, wir holen es sicherheitshalber ab.“

Zwei Tage später kommt Hauptkommissar Klug zu Besuch. „Wir haben alles noch einmal überprüft. An dem Messer waren nur die Fingerabdrücke des Kollegen von Zoran, Anton. In die Enge getrieben, hat Anton zugegeben, dass er eifersüchtig auf Zoran gewesen sei, weil ihm dieser die Freundin ausgespannt hatte. Von der Herzerkrankung wussten alle. Deshalb brauchte Anton Zoran lediglich mit dem Messer zu bedrohen, um ihn in Panik zu versetzen. Weil Anton die Entdeckung der Waffe fürchtete, versteckte er das Messer, als er vorgab, sich um den Verunglückten zu kümmern. Fast wäre er ja auch davongekommen, wenn da nicht dieser kleine vierpfötige Detektiv gewesen wäre!“

Heute braucht Tweety nicht zu stehlen. Eine köstliche Mahlzeit wird ihm und seinen Nachbarkatzen serviert. Und seine Wunde spürt er kaum noch. Die Menschen diskutieren inzwischen. „ Ist das ein Zufall, dass die Katze ausgerechnet das Messer erwischt hat“, sagt Patrizia aus dem Hinterhaus. „Ich weiß nicht“, Frau Vogel ist nachdenklich, „im Tierheim hieß es, Tweety hätte einem verunglückten Jugoslawen gehört. Und er hat ja offensichtlich schon länger gegraben und nicht nur nach Futter gesucht.“

Grautiger Olli sitzt am offenen Küchenfenster und starrt in den Hinterhof. Hoffentlich verfolgt er heute nur die Schwalben ...

Ursula Druck

Zur Geschichte

Alle Katzen in der Geschichte haben tatsächlich gelebt – Candy tut es heute noch. Auch die Menschen (außer Kommissar Klug) sind real – selbst den toten Maurer hat es gegeben.

 

Ursula Druck: "Ich wurde 1946 in Frankfurt am Main geboren. 1993 bekam ich meinen ersten Kater "Tommi" im Alter von 1 Jahr, der von seinen Haltern eingeschläfert werden sollte. Er war nicht sozialisiert und forderte mich als Katzenanfängerin extrem heraus. Bald kam mein zweiter Kater "Olli" zu uns, und mit ihm wuchs meine große Liebe zu den Katzen, zumal sich auch Tommi zum Charmeur entwickelte.

Heute lebe ich mit meinen beiden Katzen Feli, geboren 1995 und Witchie, geboren 1997 zusammen in Rüsselsheim"